"Selig die Trauernden, ..."
Eine neue Bestattungskultur ermutigt zu einem liebevollen und persönlichen Umgang mit der Trauer
Noch vor einigen Jahrzehnten starben die Menschen dort, wo sie geboren wurden – und zwar zuhause, im Kreise der Familie. Heute findet das Sterben meist im Verborgenen statt, im Krankenhaus oder im Altersheim. Dem Tod ins Gesicht blicken, einen Sterbenden begleiten oder einen Toten auf die Beerdigung vorbereiten, wer will das schon? Allein der Gedanke daran löst Unbehagen aus. Die Bräuche und Sitten im Umgang mit einem Toten sind in Vergessenheit geraten. Doch es ist sinnvoll, sich ihrer wieder zu erinnern, denn diese Rituale können den Trauernden eine große Hilfe sein.
Trauer ist die natürliche Reaktion auf einen Verlust und sie muss gelebt werden. Denn wenn der Schmerz verdrängt und der Trauer nicht genügend Raum und Zeit gegeben wird, kann es keine Heilung geben. Nur wer die Trauer und das ganze Gefühlschaos, das sie oft auslöst, zulässt und durch diese Zeit hindurchgeht, wird irgendwann von seinem Schmerz erlöst und kann wieder neue Lebensperspektiven entwickeln.
Bestattung der anderen Art
Die Tage zwischen Tod und Beisetzung sind dabei mit entscheidend für das weitere Leben der Trauernden. Deshalb setzen sich in jüngster Zeit einige Bestattungsinstitute für die bewusste und persönliche Gestaltung des schmerzhaften Abschieds ein. Das Bestattungsunternehmen AETAS in München beispielsweise legt wert darauf, dass die Angehörigen in ihrer Trauerzeit aktiv bleiben, ermutigt sie, das zu tun, wonach ihnen wirklich ist und greift ihre eigenen Vorstellungen, Rituale und Symbole auf, um diese für die Bestattung zu verwenden. So gibt es die Möglichkeit, den Toten selbst zu waschen, ihm seine Lieblingskleider anzuziehen und ihn auf selbst gewählter Decke und Kissen zu betten oder zumindest dabei zu sein, wenn Bestatter diesen Dienst übernehmen. Den Sarg kann man nicht nur auswählen, sondern auch eigenhändig bemalen oder sogar schreinern.
Abschiednehmen
Bei den genannten Bestattern und in einigen wenigen Krankenhäusern und Altenheimen steht den Angehörigen ein eigener Raum für das bewusste Abschiednehmen von dem geliebten Menschen zur Verfügung. Hier können sie sich in einer ruhigen und geschützten Atmosphäre die Zeit nehmen, die sie brauchen, um den Tod wahrzunehmen und zu „begreifen“. „Kurz nach dem Tod fühlt man sich dem geliebten Menschen noch sehr nahe“, sagt Barbara Kneuttinger, die ihren 17-jährigen Sohn begraben musste. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass das bewusste Abschiednehmen hilft, den Tod zu verstehen: „Wenn der Leichnam noch eine Weile aufgebahrt ist, kann man miterleben, wie die Persönlichkeit des Menschen sich allmählich vom Körper entfernt, wie die Seele langsam schwindet und man sieht, dass am Schluss nur noch der Körper übrig bleibt.“ Auch der Bestatter Florian Rauch kann aus seiner Erfahrung bestätigen, dass sich Trauernde, die sich zu diesem Schritt entschließen, hinterher besser fühlen und auch viel stabiler sind.
Trost durch Erinnerung und christliche Hoffnung
Mit individuell gestalteten Anzeigen, Sterbebildern und der Trauerfeier können Familienangehörige und Freunde die Erinnerung an den Verstorbenen wach halten, ihre Liebe zu ihm ausdrücken und Zeugnis dafür ablegen, wie einzigartig dieser Mensch gewesen ist. Viele Trauernde leben in der Zeit unmittelbar nach dem Tod wie in einem Trancezustand. Ähnlich ging es auch Barbara Kneuttinger. Deshalb bat sie Freunde, die ihren Sohn gut gekannt haben, mit ihr gemeinsam zu überlegen, wie er war, was seine Persönlichkeit ausgemacht hat. „Das Auflebenlassen der Erinnerungen und die vielen Gedanken an meinen Sohn haben ihn mir näher gebracht. Es war fast so, als hätte ich ihn neu kennen gelernt.“ Aus diesen Überlegungen wurde die Zeremonie des Gottesdienstes und der Begräbnisfeier entwickelt, die für die Trauernden zu einem intensiven Erlebnis wurden. Auch die biblischen Texte und christlichen Symbole und Bilder spenden den Trauernden Trost, weil sie der österlichen Hoffnung Ausdruck geben, dass wir durch die Liebe Gottes über den Tod hinaus mit den Menschen, die wir lieben, verbunden sind. In diesem Sinne kann Jesu Verheißung aus der Bergpredigt so verstanden werden, dass die Menschen, die ihre Trauer bewusst durchleben, schon auf Erden und nicht erst nach dem eigenen Tod, von ihren Trauerschmerzen erlöst werden.
Bettina Thöne
(Texte und Bilder mit freundlicher Genehmigung von pfarrbriefservice.de)